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Auszeit

Vor ein paar Jahren kaufte ich mir einen Kleinbus, baute ein Bett ein und fuhr damit drei Monate durch Europa und Marokko. Der Bus war mein Zuhause, mein Fortbewegungsmittel, mein Rückzugsort und meine Freiheit. Home is where you park it. Ich war glücklich auf meinen drei Quadratmetern, mit denen ich die Welt erkundete. Ein Auszug aus meinen damaligen Aufzeichnungen:

„Nun bin ich wieder zuhause, der Alltag hat mich wieder, und ich verarbeite die Eindrücke der letzten Monate. Fangen wir mit den messbaren Dingen an. Die Reise in Zahlen:

Knapp 12.000 km bin ich gefahren, über Schotterpisten, Bergpässe, Küstenstraßen, Wüstensand. Mein Auto brauchte 5 Liter Öl und einen neuen Luftfilter. Der alte hatte sich praktisch in Luft aufgelöst (haha). Einmal steckten wir im Wüstensand fest. Ich bin keinmal überfallen worden, einmal hab ich umgerechnet 40 Euro verloren. Verloren habe ich auch zwei Schuhe, beim Öffnen der Schiebetür. Zwei Paar durchgelatscht, ein Paar nachgekauft, einen Schuh genäht. Acht Reiseführer hab ich mitgenommen, drei davon gelesen. Zehnmal habe ich Landesgrenzen überschritten, fünfmal bin ich von der Polizei angehalten worden. Ich habe in fünf Sprachen gesprochen und in zwei Sprachen geträumt.

Und nun genug der Zahlen. Was hab ich aus der Reise mitgenommen? Es gibt wunderschöne Fleckchen Erde. Hier und Dort. Aber die heimische Natur hab ich bei der Rückreise ganz besonders genossen. Nach der letzten Autobahnabfahrt fuhr ich mit offenem Fenster und Nase im Wind durch den Westerwald, um die wunderbar frische Mailuft einzuatmen. Noch dazu gab es einen herrlichen Sonnenuntergang und viel Vogelgezwitscher.  Ein freundlicher Willkommensgruß der Natur.

Die Reise zeigte mir, dass Ruhe und Gelassenheit der Schlüssel zu vielen Dingen sind. Probleme lassen sich selten mit nervösem Kopfzerbrechen lösen, eher mit Distanz zum Problem und Geduld zur Lösung. Während der Reise hab ich immer gut schlafen können, und selbst meine Haare sind schneller gewachsen (kein Scheiß). Selbst Wäsche von Hand am Waschbrett zu waschen, hatte etwas Kontemplatives. Nicht, dass ich zukünftig auf meine Waschmaschine verzichten möchte, aber es hat mir gezeigt, wie entspannend es sein kann, nur wenige Dinge am Tag zu verrichten, dafür aber mit Bewusstsein. Mein Leben auf wenigen Quadratmetern zeigte mir außerdem, dass viel Wohnraum gar nicht unbedingt nötig ist. Zuhause angekommen kamen mir meine zwei Zimmer unvorstellbar riesig vor.

Im Umgang mit Freunden, Familie und Kollegen bin ich seit der Reise gelassener und habe keinen Zeitdruck. Ich nehme die Dinge wie sie sind, ernähre mich gesünder, bewege mich viel an der frischen Luft. Mir fällt auf, dass ich stress- und lärmempfindlich geworden bin. Lange in geschlossenen Räumen zu bleiben fällt mir schwer. Und doch fand ich während der Reise einen Zugang zu meiner Kreativität, mehr Gelassenheit und Humor, den ich gern in meinen hiesigen Alltag mitnehme.“

Der Alltag hat mich schon lange wieder. Vieles aus der Reise habe ich unbewusst verinnerlicht. Gelassenheit und Humor sind mir gute Helferlein, den Alltag zu gestalten. Manchmal vergesse ich es. Dann hilft es mir, mich an die Reise zu erinnern. Und daran, dass es immer wieder Auszeiten braucht, um gestärkt in den Alltag zu finden.

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