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Gemeinsam ackern – gemeinsam ernten

Gärtnern macht Spaß, in Gemeinschaft noch mehr. Gerade für jene, die keinen eigenen Garten haben, ist es eine gute Möglichkeit, regionales Gemüse anzubauen, hochwertige Lebensmittel zu ernten und Menschen zu treffen. Ich habe mich mit Engagierten aus drei Gemeinschaftsgärten in der Nähe unterhalten. Und auch wir planen dieses Jahr, den Garten für weitere Menschen zu öffnen und in Gemeinschaft zu ackern.

Der „Mitmach-Garten unter der Burg“ ist ein Gemeinschaftsacker von etwa 900 Quadratmetern. Wer hier gärtnert, freut sich nicht nur über die üppige Ernte und die gute Gesellschaft, sondern auch über den wunderbaren Blick auf die Burgruine von Burglahr. „Bei uns im Garten gibt es immer gute Laune, hier wird viel gelacht“, so beschreibt es Gerti Nink. Das merken auch die Nachbarn aus dem Dorf, die immer öfter vorbeischauen und gerne mit den Hobbygärtnern klönen. Die gute Stimmung lässt sich auch im Ergebnis sehen, sind sich Gerti und Sami sicher: „Unsere gute Ernte haben wir auch den Menschen zu verdanken, die so viel Leidenschaft in das Projekt einbringen. Denn alles, was Menschen mit Freude tun, wird einfach schöner“, erzählt Sami Fayed, der das Gemeinschaftsprojekt mit Gerti neu aufgebaut hat. „Ganz wichtig ist uns, dass alles auf Vertrauen läuft, und ohne Zwänge“, betont Gerti. Das heißt, jeder bringt seine Arbeitskraft so ein, wie er kann und möchte. „Hier gilt das Solidaritätsprinzip: Jeder macht, so viel er oder sie kann und bedient sich aus der Fülle des Gartens, zu der alle auf ihre Weise beitragen“.

Das Prinzip gilt auch beim Gemeinschaftsgarten des „brodvereins“ in Ochsenbruch bei Weyerbusch. „Man kann keinen verpflichten“, erzählt Brunhilde Weser, die die Gartenarbeiten koordiniert: „Bisher hat es immer gut funktioniert“. Und auch die Gärtnergruppe aus Ingelbach bestätigt das. „Unsere Hauptregel ist, dass wir miteinander anerkennen, dass sich alle nach den eigenen Fähigkeiten und den eigenen begrenzten Möglichkeiten, also zeitlich, inhaltlich und körperlich einbringt. Was das Ernten betrifft, so achten natürlich alle, dass für die anderen auch noch genug bleibt. Oft passiert es sogar, dass zu wenig geerntet wird“, berichtet Olaf Riesner-Seifert aus Ingelbach. Das Prinzip scheint bei allen dreien erfolgreich zu funktionieren. Die Gemeinschaft in Burglahr bestätigt das aus eigener Erfahrung. Zuvor wurde das Gartenprojekt mit wirtschaftlichen Akteuren aufgezogen, war aber schon bald gescheitert. Zu starr waren die Regeln und Hierarchien, zu groß der Druck, die Ernte erfolgreich vermarkten zu wollen.

Gemeinschaftliches Gärtnern als Mehrwert

Denn der Vermarktungsgedanke fällt bei den Gemeinschaftsgärten komplett weg. Die Ernte wird in der Gruppe aufgeteilt. Und wenn zu viel von einem Gemüse anfällt, lassen sich die Aktiven etwas einfallen. In Burglahr wurde der Überschuss im benachbarten Hofladen gegen eine Spende abgegeben. In Ochsenbruch packte die Gemeinschaft Kartoffeln in 2-3 Kilo-Säcke und bot sie im Dorf gegen eine kleine Spende an. Außerdem wurde aus dem Kohl gemeinsam Sauerkraut gehobelt. In Ingelbach werden Ernteüberschüsse entweder im Dorf verschenkt oder im Unikum-Regionalladen in Altenkirchen verkauft. Aus dem Erlös wird neues Saatgut oder neue Gartengeräte beschafft.

Somit zählen als „Einnahmen“ vor allem die Ernte, also hochwertiges Obst, Gemüse und Kräuter, sowie die gute Gemeinschaft. Die Ingelbacher stellen fest: „Die Gemeinschaft ist uns mindestens genauso wichtig wie das Gärtnern selbst. Das Schönste sind das gemeinsame Tun und die gemeinsamen Pausen – mit Kaffee und Kuchen und viel Spaß“. Neben der Ernte verbindet die Gruppe in Ingelbach auch, dass sie durch die Selbstversorgung und das gemeinsame Miteinander ein bisschen die Welt verändern. Gleichzeitig profitieren alle von ihren unterschiedlichen Fähigkeiten und Garten-Kenntnissen. „Und vielen fällt die Gartenarbeit leichter, wenn noch jemand anderes dabei ist. So kann man sich dabei unterhalten und auch mal gärtnerisch unterstützen“ ist Olaf überzeugt. In Burglahr höre ich Ähnliches: „Jeder bringt seine Fähigkeiten ein, die er hat. Auch über die Gartentätigkeit hinaus.“ Gerti erzählt, wie einmal alle an der gedeckten Tafel bei Sonnenuntergang im Garten saßen. Die Puppenspielerin aus der Gruppe führte ein kleines Mini-Theater auf. „Das war ganz wunderbar“, erzählt sie mit leuchtenden Augen.

Kleingärten ernähren die Welt

Doch Gemeinschaftsgärten haben noch einen weiteren Vorteil. Wenn man das Prinzip von Kleingärten global betrachtet, sprechen die Zahlen für sich. Kleinbäuerliche Strukturen ernähren die Welt nach wie vor zu 70%. Die großindustrielle Landwirtschaft bringt nur ein Drittel für die Welternährung auf, ist aber für die Mehrheit der Umweltschäden verantwortlich, da sie im Gegensatz zu Kleinbauern nicht ökologisch und regional wirtschaftet. In kleinbäuerlichen Strukturen werden traditionelle und ökologische Anbaumethoden angewendet, mit weniger Pestiziden und Gentechnik. Der letzte Weltagrarbericht bestätigt dies: „Kleinbäuerliche und auf Vielfalt ausgerichtete Strukturen sind die Garanten einer sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltigen Lebensmittelversorgung durch widerstandsfähige Anbau- und Verteilungssysteme“. Das trifft auch auf unsere Gemeinschaftsgärten hierzulande zu.

Herausforderung Trockenheit

Gleichzeitig haben hiesige Gemüsebauern, ob in Gemeinschaft oder nicht, alle mit den gleichen Problemen zu tun. Zum Beispiel mit der Wasserversorgung über die Dürremonate im Sommer. Allen half das Mulchen gut über die Trockenheit hinweg. Langfristig strebt die Gemeinschaft in Burglahr eine Tröpfchenbewässerung an, um Wasser zu sparen. Doch die Kosten für die nötige Infrastruktur sind hoch. In Ingelbach bemerkt man ebenfalls, dass sich die Trockenperioden deutlich verlängert haben. Um den Wasserverlust zu reduzieren, mulcht die Gemeinschaft mit Rasenschnitt aus dem Dorf. Das Wasser kommt aus einer Regenwasserzisterne. Die war im letzten Jahr allerdings schnell aufgebraucht und es war so trocken, dass nachts kein Tau fiel. Das machte den Pflanzen arg zu schaffen. Daher will die Gemeinschaft in Ingelbach das Mulchen verstärken und insgesamt die Anzuchtzeit im Jahr früher ansetzen.

Tipps für Gartenprojekte in Gemeinschaft

In allen drei Gemeinschaftsgärten war die Resonanz so groß, dass die Gruppen schnell ausgelastet waren. Die Gärtnergruppen des brodvereins sowie in Burglahr sind ungefähr zehn Leute stark, in Ingelbach etwas mehr, manchmal bis zu 18. Die Gruppengröße ist variabel, doch ist sie auch ein Richtwert. Mehr als zehn sollten es zu Anfang erstmal nicht sein.

Die drei Gruppen haben so gute Erfahrungen gemacht, dass sie ihr Wissen gerne weitergeben an Menschen, die einen Gemeinschaftsgarten planen. Und erste Tipps geben die Hobbygärtner auch schon mit. Brunhilde Weser aus Ochsenbruch empfiehlt: „Es braucht jemanden vor Ort, der schnell reagieren kann. Oder wenigstens eine/n Koordinator*in. Abends mal schnell ein paar Kartoffelkäfer absammeln geht dann auch mal nebenbei“. Das gleiche bestätigt Olaf Riesner-Seifert: „Die Ingelbacher*innen können mal eben was vom Acker holen oder abends nach der Hitze des Tages gießen. Der Wohnort der Aktiven sollte daher möglichst nah sein.“ Außerdem empfiehlt er, dass ein Gemeinschaftsgarten am besten generationenübergreifend organisiert wird. „Am Wichtigsten ist, dass sich Menschen zusammenfinden, die nicht nur Spaß am gemeinsamen Gärtnern haben, sondern sich auch darüber hinaus verbunden fühlen. Sei es als Dorfgemeinschaft oder wie wir als „Umweltbewegte“. In Burglahr gibt Sami mit auf den Weg: „Es ist gut, kleine Schritte zu gehen, nicht zu viel auf einmal planen, was der Gruppe schnell über den Kopf wächst“.

Weiterhin brauche es Unterstützer*innen von außen. In Ingelbach und Burglahr sind das Landwirte aus dem Dorf, die mit ihrem Land und ihren Maschinen die Vorbereitung der Ackerfläche unterstützen. Die können wiederum auch Teil der Gartengruppe sein. Es sollten auch Mitglieder mit praktischen Erfahrungen im Gärtnern dabei sein.

Sowohl Burglahr als auch Ingelbach bestätigen, dass es bei Gartenarbeiten immer viel Geduld, Zuversicht und Tatkraft braucht. „Denn jedes unserer letzten 9 Gartenjahre hat bisher immer eine neue Herausforderung bereitgehalten“, stellen die Ingelbacher fest. In Gemeinschaft gelinge es noch besser, diese Herausforderungen anzusprechen, Lösungen zu finden und dies gemeinsam anzugehen. „Überhaupt ist Lernen durch Mitmachen am Schönsten, Leichtesten und Fruchtbarsten“, ist sich Olaf sicher. Wenn man dann noch neben dem Acker an der gedeckten Tafel mit frischen Leckereien aus dem Garten zusammensitzt, wird man gleich doppelt für die Arbeit belohnt.  

Die drei Gärten inspirieren uns, dieses Jahr den Garten zu erweitern und weitere Leute einzuladen, mitzumachen. Wenn du auch Lust hast und in der Nähe wohnst, melde dich gerne bei mir.

Published inAllgemein

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